AUFBAU EINES LANDSCHAFTSBILDES

Der Aufbau eines Landschaftsbildes vermittelt dem Betrachter das Wesen des Raumproblems, sowie das Zeitproblem das erst aus der Schicksalsidee verständlich wird. Das Schicksal eines Lebens erscheint im Sinnesleben als beeindruckendes Tiefenerlebnis, denn die Welterfahrung ist ausschließlich an das Wesen der Tiefe gebunden – FERNE oder Entfernung – dieser Zug wird mit Länge und Breite als die „dritte Dimension“ bezeichnet.

Die Dreiheit repräsentiert den rein sinnlichen EINDRUCK, Tiefe versinnbildlicht den AUSDRUCK – die NATUR – mit ihr beginnt die Welterfahrung. Der Begriff RAUM ist eine Bewußtseinsidee die benützt werden kann, soweit das Bewußtsein reicht.

Der Raum deckt sich mit der Reichweite des Bewußtseins, kann bei geringer Entwicklung eng umgrenzt sein oder sich auch über weite Teile des planetarischen Raumes erstrecken.

Der Farbenwechsel hat raumbildende Kraft, er veranlaßt bei schwierigen Verhältnissen das Auge gewissermaßen zu unbewußten Schlüssen, aus denen die gewollte Raumwirkung wie ein fertiger Schlußsatz herausspringt.

Das Bewußtsein von geistig hochentwickelten Menschen kann sich der Peripherie des Einflußbereiches des Planetenlogos nähern. Bewußtsein ist die höchste Energieform, daraus folgt

DAS UNIVERSUM IST
VERKÖRPERTES BEWUSSTSEIN.

Giorgione DAS GEWITTER 1505

Giorgione DAS GEWITTER 1505

Die ZEIT ist ein Betätigungsvorgang, eine fortschreitende Bewußtseinsentwicklung, in der das menschliche Bewußtsein seinen Gegenpol sucht. Im Verkehr mit anderen Menschen entwickelt sich die LEBENSERFAHRUNG, mit Zuneigungen oder Abneigungen.

Im GEWITTER ist für Giorgione DIE LANDSCHAFT ZUM ERSTEN MAL DAS HAUPTTHEMA IN DER VENEZIANISCHEN MALEREI.

Nicht mehr Figuren mit Landschaft, sondern Landschaft mit Figuren. War zuvor die Natur ein szenisches Beiwerk, ist sie die eigentliche Aufgabe.

Die Landschaft selbst war der Beweggrund zur Ausgestaltung des Bildes. Die RELIGIÖSEN GEDANKEN beim BETRACHTEN der NATUR sind der Beginn einer NEUEN Weltanschauung.

MARIA ist als LEIDENDE MUTTER mit ihrem Kind in der freien Natur, ohne Thron. Das Bild drückt seelisches Empfinden und geistiges Anschauen im Marienleben zum Menschlichen und zur Natur neigend aus.

Die MADONNA AUF DER WIESE zeigt, wie VOM HIMMEL AUS DIE ERDE IN DIESER ZEIT EROBERT WIRD.

Der Hintergrund des Bildes zeigt die Stadt Venedig, die Abendstimmung taucht alles in fahles Licht. Darüber türmen sich dunkle Gewitterwolken, ein Blitz zuckt –symbolischer Hinweis, die Lage der Republik ist bedrohlich.

Es war Venedigs Schicksal durch Kriege zu verlieren und in den Verhandlungen dann wieder das zu gewinnen, was sie im Kampfe zuvor einbüßten. Das hinter den Ereignissen wirkende Kräftespiel ist Symptom einer Zeit voller Spannungen und Widersprüche, die herrschenden Mächte standen ihrem Schicksal völlig hilflos gegenüber.

Auf betont festem Fundament stehen in der Bildmitte ZWEI GEBROCHENE SÄULEN. Ein deutlicher Hinweis auf die DUALITÄT DES MENSCHEN, durch die er Grundlage und Sinn des Lebens erkennt. Das ganze christliche System steht auf diesen Pfeilern, den Gegensätzen GUT – BÖSE, LICHT - FINSTERNIS. Zur Zeit der Renaissance war diese Ordnung zerbrochen.

Im KATHOLIZISMUS war als Grundprinzip nur die universelle geistliche Macht anerkannt. Als Realität bedingt die Vollendung christlicher Kultur in der Welt neben ÖKUMENISCHER MACHT, auch die FREIE WIRKUNG VON PER- SÖNLICHEN KRÄFTEN.
Der PROTESTANTISMUS löste diese Kräfte, darin liegt seine Bedeutung.

Die Stimme des persönlichen Gewissens und die Freiheit eigenständigen Handelns wurden von der Kirche in Ost und West stets anerkannt. In der Praxis wurde dieser Gedanke allmählich verdunkelt durch die Prinzipien der TRADITION und der AUTORITÄT.

Aus geschichtlicher Sicht betrachtet, erscheint das protestantische Prinzip des eigenen Gewissens und die individuelle Freiheit als Ausdruck des christlichen Lebens gerechtfertigt. Durch die ständige Bewegung der Welt können Gegensätze überwunden werden und zu einer Einheit gelangen

Den Gedanken stellt der Künstler dar.

DER MENSCH IST EIN WANDERER IM KREISLAUF ZWISCHEN GEBURT UND STERBEN.

Mit dem Wanderstab in der Hand hat sich der Künstler selbst abgebildet.